Konzeptidee

Bei der Krankenhausaufnahme haben inzwischen bis zu 25 % der Patienten über 65 Jahren ein Delir. Bei älteren Patienten kann das Delir erstes und oft auch einziges Zeichen einer schweren Krankheit sein, wie beispielsweise einer Pneumonie, Sepsis, Schlaganfall oder Myokardinfarkt. Bei den über 70-jährigen ist das Delir mit bis zu 50 % die häufigste Komplikationsrate in der stationären Behandlung.

Gemäß wissenschaftlichen Studien sind hochbetagte Patienten besonders delirgefährdet. Aus diesem Grund wird eine entsprechende Delirprophylaxe bereits bei Aufnahme ins Krankenhaus und während des Aufenthalten postoperativ, nach diagnostisch und oder therapeutischen Maßnahmen empfohlen. Bereits zur Aufnahme sollten bekannte kognitive Defizite in Erfahrung gebracht werden und dokumentiert werden. 

Das Screening wird für alle Patienten ab 70 Jahren sowie für alle Patienten mit Risikofaktoren empfohlen. Unabhängig davon, wo der Patient ins Krankenhaus eintritt.

Delir-Risikofaktoren: 
 

  • Alter (70 oder älter)
  • längere Nüchternzeit (>6h)
  • neurokognitive Störungen
  • Männliches Geschlecht
  • Depression
  • Seh- und Hörminderung
  • Konsum von Alkohol und Opiaten
  • postoperativ
  • Niedriger Hb
  • Schwierigkeiten beim Ausüben der Aktivitäten des täglichen Lebens
  • Gebrechlichkeit
  • Dehydration
  • Starke Schmerzen
  • Elektrolytstörungen (Na, K),
  • Schlaganfall, Pneumonie, COPD, Sepsis oder Myokardinfarkt
  • Polypharmazie
  • Einnahme von Psychopharmaka und anticholinerg wirkende Medikamente
  • Ortswechsel/Transfers zu anderen Stationen
  • Isolation
     

Es wird nachfolgendes Screening-Instrument für das Städtische Klinikum GR angewendet: POCKETCARD

Bei einem positiven („ja“) Screeningergebnis erfolgen weitere Maßnahmen (siehe Punkt 5 ff.).
Bei negativem („nein“) Screeningergebnis erfolgt eine Reevaluation mindestens einmal pro Schicht für drei Tage (in der Regel 8-stündlich). 

Die Screeningmaßnahme hat eine kognitive Auffälligkeit für den Patienten ergeben. Die erweiterte Diagnostik dient zur Abklärung behandlungsbedürftiger Ursachen. D.h. die Differenzierung zwischen der Behandlungsbedürftigkeit einer spezifischen Ursache (z.B. Infektion) und der Durchführung von prophylaktischen Maßnahmen. Dies dient der Reduktion des Delirs.

Zur weiteren Diagnostik: 

  • Körperliche Untersuchung
  • Fremdanamnese mit Bezugspersonen
  • Untersuchung auf das Vorliegen akustischer und optischer Erkrankungen
  • Evaluation des Ernährungsstatus (Instrumente für ein Screening im Krankenhaus beschreibt der Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“
  • Kognitive Testung (Confusion Assessment Method (CAM - ICU) [9] , Delirium Observation Screening Scale (DOS) [10]  wenn ≥ 3 zusätzlich CAM-ICU, Mini-Mental-Status-Test ≤ 24 Punkten kognitive Einschränkungen [11] , Montreal Cognitive Assessment (MoCA) [12] )
  • Überprüfung der Medikation (Ausschluss Medikamentenabhängigkeit und weiterer Suchtmittel; Wechselwirkung von Medikamenten)
  • Serologische Diagnostik und Laborchemische Diagnostik (Ausschluss von Infektionen, Leber- oder Niereninsuffizienzen, Anfallsleiden, etc.)
  • Psychometrische Testverfahren
  • Ausschluss einer psychiatrischen Erkrankung
  • Apparative Diagnostik bei Verdacht auf non. konvulsive epileptische Anfälle (z.B. Elektro-Enzelphalogramm (EEG))
     

Schnell durchführbare Maßnahmen, die sich aus dem Screening ergeben und unabhängig vom Ergebnis der erweiterten Diagnostik innerhalb der ersten 24 Stunden zur Stabilisierung des Patientenzustandes umgesetzt werden sollten. Es sollte ein sofortiges Entlassmanagement erfolgt.

Zur Erstintervention wird Folgendes empfohlen: 

  • Ersteinschätzung des Patienten und Entscheidung ob ambulante oder stationäre Weiterversorgung
  • Zügige Weiterverlegung in die versorgende Einheit des Krankenhauses, bevorzugt sollte ein Zimmer gewählt werden mit tagesorientierenden Maßnahmen (Uhr, Kalender, etc.). Frühe Information und Einbeziehung der Angehörigen;
  • Klärung von Vorsorgevollmachten und gesetzlicher Betreuung
  • Hinzuziehen von Betreuungspersonal -> Ehrenamt …………………..
  • Kennzeichnung der Patienten im Dokumentationssystem unter Merkmalserfassung Pat. Info kognitive Einschränkung oder Delir
  • Wenn Delir gesichert, empfiehlt sich das Hinzuziehen des psychiatrischen Konsilardienstes zur Abklärung von potentiell auslösenden Ursachen für ein Delir

Nach Durchführung der erweiterten Diagnostik und Prophylaxe bzw. nichtmedikamentösen / medikamentösen Interventionen wird die Entscheidung getroffen, ob ein behandlungsbedürftiges Delir vorliegt. Liegt ein behandlungsbedürftiges Delir vor, werden therapeutische Maßnahmen ergriffen. Ansonsten erfolgen prophylaktische Maßnahmen. 

Delir verursachende Faktoren sind zu identifizieren und zu beheben.

Maßnahmen:

  • Polypharmazie/ Wechselwirkungen vermeiden und Berücksichtigung bei neuangesetzten Medikamenten (Priscus -Liste)
  • Sturzrisiko bewältigen
  • Einbeziehung der Physio – und Ergotherapie
  • Adäquate Schmerztherapie bzw. Anwendung der BESD ( Beurteilung von Schmerzen bei Demenz)
  • Mangel-/Fehl-Ernährung bewältigen
  • Ggf.  Behandlung von  Volumenmangel,Hypoxie,  Infektion (Pneumonie,  Harnwegsinfekt, SIRS, Anämie, Hyper- und Hyponatriämie, metabolischen Störung)
  • Dauerkatheter-Anlage oder das Anlegen anderer invasiven Maßnahmen nur bei akuter Indikation !!

Eine neuroleptische Therapie ist nur bei psychiatrischen Verkennungen, Fluchttendenzen oder aggressiven Verhaltensweisen indiziert. Die neuroleptische Therapie sollte individuell angepasst werden. Die Empfehlung zur zeitnahen  Reduzierung bzw. das Absetzen der Medikation sollten im konsilarischen psychiatrischen Befund erscheinen. Es kann im Bedarfsfall auch ein Rekonsil dafür angefordert werden. In der Epikrise wird der Verlauf vom behandelnden Arzt der jeweiligen Klinik beschrieben.

Vermeidung von Delir verursachenden Faktoren,  die durch die Bereichsgestaltung getriggert werden können.

prophylaktische Maßnahmen: 

  • blaues Patientennamensband
  • Reduzierung von Verlegungen, Zimmerauswahl nahe vom Pflegestützpunkt+mit Tagesorientierende Maßnahmen (Uhr, Kalender, etc.)
  • Stetig wiederholende verbale Orientierung zum Ort und Geschehen geben
  • Umgebungsgestaltung, Entfernung von verwirrenden  Gegenständen
  • Reorientiernde Maßnahmen und der Einsatz der Elibox mit persönlichen Hilfsmitteln (Brille, Hörgerät, Zahnprothese, etc.)
  • Verwendung von persönlichen Gegenständen (z.B. Familienfotos mit Beschriftung, persönliche (Tages ) -Kleidung )
  • Anwendung Expertenstandard Sturz , Care Mat nutzen
  • Einbeziehung der Bezugspersonen und oder der Ehrenamtlichen
  • Frühmobilisation, Einbeziehung Physiotherapie
  • Einsatz von vorhandenen Hilfsmitteln
  • Begleitete Nahrungsaufnahme+ Nutzung der speziellen Kostform-Angebote sowie spezieller Nahrungsmittel (Evaluation der Hilfe bei Nahrungsaufnahme+ Einsatz von spez. Trinkhilfen)
  • Fixierungen vermeiden
  • Beschreibung der stabilisierenden Maßnahmen im Pflegebericht , bei pflegerischen und ärztlichen Dienstübergaben, die eine positive Verhaltensveränderung bewirken
     

Mit der Reevaluation soll der Delirverlauf erfasst werden. Hier empfehlen sich als Assessments Confusion Assessment Method (CAM-ICU) bzw. Delirium Observation Screening Scale (DOS).

 

Bei ausbleibender Stabilisierung müssen weitere Therapieschleifen eingeleitet werden. Dabei ist eine Übernahme in die Psychiatrische oft nicht zu vermeiden. Auf die Berücksichtigung des Entlassmanagements wurde bereits unter Punkt „4. Prophylaxe bzw. Intervention“ hingewiesen.